
Seit Anfang September wird in Rumänien protestiert. Erst gegen ein Sondergesetz, mit dem die sozialliberale Regierung den Startschuss für das Goldtagebau-Vorhaben in Roșia Montană geben wollte. Doch das Thema Schiefergas wurde auch immer dringender. Inzwischen zählen siebenbürgische Dorf Moșna/ Meschen und das moldauische Pungești mit zu den Wegmarken der neuen rumänischen Protestkultur. Oft heisst es in Demoaufrufen: „Roșia, Moșna și Pungești – trei motive ai să ieși!” Drei Dörfer und drei Gründe für alle Bürger_innen, auf die Strasse zu gehen.
Zwar ist das Sondergesetz nicht durch die Parlamentskammern gekommen. Nicht, dass man in Bukarest die Verfassungswidrigkeit eingesehen hätte, sondern weil die Proteste zu massiv waren. Alle Verantwortlichen ruderten zurück. Herr Ponta wollte als Abgeordneter gegen den von ihm als Premier unterzeichneten Entwurf stimmen. Und siehe da – ganz nebenbei wurden alle strittigen Punkte in eine Neufassung des Bergrechts gepackt: Privatfirmen mit Schürfrechten sollen u. a. auch enteignen dürfen. Dass die erfolgreiche Abstimmung im ersten Anlauf misslang, lag nur an der Unaufmerksamkeit der Senatoren (die falsch abstimmten…) und daran, dass im Parlament zu wenige Abgeordnete zum Votum erschienen. Der Kampf um die Aufnahme Roșia Montanăs in die Weltkulturerbeliste der UNESCO geht weiter.
Im Frühsommer begann die Firma Prospectiuni S. A. des umstrittenen Geschäftsmannes Ovidiu Tender mit Gas-Erkundungen in Südsiebenbürgen. Ihre Kabelinstallationen hatten die Arbeiter ohne Einverständnis der Bäuerinnen und Bauern quer deren die Felder verlegt: ein klarer Rechtsverstoss. Da auch Anzeigen nichts fruchteten, begann man, die ersten Kabel einzusammeln. Ende Juli hatten die Arbeiter der Erkundungsfirma ein dichtes Netz für ihre 3D-Vermessung des Untergrunds über mehrere Dörfer gelegt. Sonderfahrzeuge erzeugten künstliche Erdbeben, Löcher für Dynamitsprengungen wurden gebohrt. Eine Initiative formierte sich und eine Petition lanciert. Immer wieder hiess von der Firma: „Wir suchen kein Schiefergas wir suchen Bodenschätze.“ Ein Ingenieur sagte, dass Tiefen bei dreitausend Metern untersucht würden. Für die Bevölkerung nur eine weiteres Indiz für Schiefergas. Da die Firma die Bewohner_innen weiter nicht ernst nahm, wurden wieder mehrere „Entkabelungen“ vorgenommen. Gemeinsam mit Betroffenen sammelten Aktivist_innen die illegal verlegten Kabel von den Feldern. Das waren wichtige Zeichen der Solidarität.
Ähnliche Schritte brauchte es in der moldauischen Gemeinde Pungești. Die kleinen und entlegenen Dörfer dort hat sich der Energieriese Chevron für den Bau seiner ersten Schiefergas-Sonde in Rumänien ausgesucht. Dem örtlichen Bürgermeister war es gelungen, sich die betreffende Parzelle aus der Allmend überschreiben zu lassen. Die lokale Bevölkerung aber stemmt sich gegen das Projekt. Mit der ‚Fracking’ genannten Methode gefährden aufsteigendes Gas und giftige Chemikalien das Grundwasser und so die kleinen, aus westlicher Sicht ‚armen‘ aber relativ autarken Wirtschaften. Der von Wirtschaft und Politik halluzinierte Mehrwert wird für sie ohnehin ausbleiben. Ein Anwohner sagte: „Es heisst, wir seien dumm. Was soll´s – unsere Keller sind gefüllt mit Honig, Nüssen, Gemüse und Fleisch. Bevor man uns das zerstört, bleiben wir lieber dumm!“
Anfang Dezember stürmten hunderte Menschen die Baustelle und legten den Zaun um. Der Bau der Sonde ist damit nicht gestoppt und natürlich gibt es Diskussionen um die Berechtigung für solche Aktionen. Vielleicht führen sie aber auch zu der Frage, wie korrekt die Genehmigungsverfahren für Chevron waren und wie legal die anschliessenden Polizeiaktionen. Die Gemeinde wurde zur ‚Sonder-Sicherheitszone‘ erklärt, Menschen willkürlich und wiederholt verhaftet, beim Einkauf im Dorfladen von den Einsatzkräften ohne Grund verprügelt… In Zeiten Sozialer Netzwerke und grosser Mobilität machen die Nachrichten die Runde, auch wenn die rumänischen Medien ihrer Pflicht zur Berichterstattung nur mässig nachkommen.
„Maisbrei explodiert nicht“, heisst es immer wieder über Rumänien in Anspielung auf eine Nationalspeise. Nach diesem Jahr ist klar, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Roșia, Moșna und Pungești sind ein deutlicher Hinweis auf neue Entwicklungen.
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