Im grünen Tal entschleunigen – In der Mikroregion Harbach baut man auf sanften Tourismus

Abseits der Hauptverkehrswege, weit weg von Hotelanlagen und touristischen Vergnügungen erstrecken sich nordöstlich von Hermannstadt/Sibiu inmitten grüner Weidelandschaft 48 kleine Dörfer. Gemeinsam mit der Stadt Agnetheln/Agnita haben sich die dort liegenden 13 Gemeinden in und um das grüne Harbachtal/Valea Hârtibaciului zur Mikroregion Harbach/Microregiunea Hârtibaciu zusammengeschlossen. Eine einzigartig Natur- und Kulturlandschaft erstreckt sich hinter den Hügeln der Thalheimer Höhe. Sie lädt neugierige Besucher ein, in eine kaum erschlossene Region einzutauchen, die sich durch traditionelles Leben und Handwerk auszeichnet. „Es ist uns bewusst, dass die Mikroregion Harbach infrastrukturell weniger entwickelt ist als andere Regionen. Wir sehen darin aber nicht nur Nachteile“, meint Radu Curcean. Der deutschsprachige Bürgermeister von Agnetheln ist zugleich der Vorsitzende des Harbachtalvereins (Asoc. Valea Hârtibaciului) und hat wesentlich dazu beigetragen, dass mit der Lokalen Aktionsgruppe Mikroregion Harbach (GAL Microregiunea Hârtibaciu) eine gemeinsame Initiative der Aktiven mit den Lokalverwaltungen der Region wächst. „Die touristische Entfaltung auf eine sanfte Art ist Teil einer Strategie, diese Region voranzubringen. Es besteht ein großes touristisches Potenzial, welches ohne andere Entwicklungsschritte allerdings nicht auskommt. Wichtig ist dafür, dass die hier lebenden Menschen gemeinsam ihre Interessen artikulieren, Konzepte erarbeiten und bereit sind, motiviert an deren Umsetzung mitzuwirken.“

Das Konzept des sanften Tourismus
Geprägt ist die Natur- und Kulturlandschaft um das Harbachtal nicht nur von urwüchsiger Flora und Fauna, sächsischen Kirchenburgen, dem mehr oder weniger sichtbaren Erbe der Rumänen, Ungarn und Roma, sondern auch von Armut. „Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat diesem Gebiet ein bedeutendes Entwicklungspotenzial beigemessen“, erklärt Jochen Cotaru, Regionalmanager der Mikroregion und setzt fort: „Durch die breite Abwanderung der Siebenbürger Sachsen und Rumänen sind viele verarmte Menschen zurückgeblieben. Wenn wir das Harbachtal und Umgebung nun touristisch bewerben wollen, muss das selbstverständlich mit anderen Entwicklungssträngen einhergehen. Touristisch attraktiv und nachhaltig wirksam können wir nur sein, wenn gleichzeitig die Armutsbekämpfung zwingend auf die Agenda geschrieben wird.“ So sieht das Tourismuskonzept vor, sich an den bäuerlichen Hofwirtschaften als integralem Bestandteil von Reichtum und Stille der umgebenden Natur zu orientieren. Eine Strategie, die erste Früchte trägt. „Tatsächlich liegt die Chance für die Mikroregion Harbach im noch nicht Entdeckten, im Ursprünglichen“, erklärt Cristian Cismaru von der Tourismusagentur Reky-Travel aus Hermannstadt. „Wir schicken unsere Reisegruppen direkt in ein Gebiet, das sie ansonsten nie zu Gesicht bekämen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Urlauber nicht viel von der Region erwarten, doch die Eindrücke, mit denen sie nach einem solchen Ausflug zurückkehren, sind nachhaltig. Darauf bauen wir.“ In dem Bewusstsein, dass der Tourismus noch in den Kinderschuhen steckt, liegt den Tagestouren von Reky-Travel ein bereits entwickeltes Konzept zugrunde. „Solang es in der Mikroregion sowohl an Unterkunfts- wie Verpflegungsmöglichkeiten mangelt, arbeiten wir touristisch mit der sogenannten Torstrategie“, führt Cismaru aus. „Das bedeutet, dass wir von den gängigen Destinationen aus in die Region reinfahren und Gästen in Tagestouren die Attraktionen der Gegend präsentieren. Die umliegenden Eingangstore sind Hermannstadt, Schäßburg/Sighişoara, Mediasch, Freck/Avrig und Fogarasch/Fâgaraş. Das Unbekannte wird so für die nächste Urlaubssaison ein identifiziertes Reiseziel für Individualgäste. Langfristig wollen wir unsere Gäste einladen, ein paar Tage in der Region zu verweilen und mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu treten.“

Erste Gästehäuser in entspannter Umgebung
Will man einen sanften Ökotourismus etablieren, muss am Ende auch etwas für Region und Bewohner bleiben. Damit wurde in Eigeninitiative hier und da bereits begonnen. So hat etwa das Ehepaar Cioran in Johannisberg/Nucet Anfang 2007 die Pension „Bio-Haus“ mit 16 Betten eröffnet, die sich ganz gezielt auf ökologische Landwirtschaft spezialisiert (www.bio-haus.ro). „Wir leben in einer so attraktiven Umgebung mit einer Flora und Fauna, die wir respektieren und schützen wollen“, meint Mioara Cioran. „Darum entschlossen wir uns, auf ökologischer Grundlage eine Pension aufzubauen. Leute aus Großstädten kommen zum Entspannen her, helfen bei der Gartenarbeit, beim Marmelade machen, oder genießen die einmalige Landschaft jenseits der städtischen Hektik.“ Durch Bio-Coop in Hermannstadt hatte das Paar erfahren, dass sich biologisch hergestellte Produkte großer Nachfrage erfreuen. Sie sprangen auf den Ökozug auf. „Inzwischen bieten wir Produkte unseres Hauses den Gästen in einem geschlossenen Kreislauf an. Das heißt, auf den Tisch kommt nur, was in der Hofwirtschaft hergestellt wird“, berichtet Emil Cioran und ergänzt weiter: „Den Leuten ist es wichtig zu sehen, wie Ökoprodukte hergestellt werden und welcher Arbeit es bedarf, etwas Gesundes anbieten zu können.“ Damit ist das Ehepaar in der Pionierstellung, hoffnungsfroh, dass sich auch andere Hofwirtschaften dazu entscheiden, auf diese Weise kleine Einnahmen aufzubauen. So wie zum Beispiel auch in Härwesdorf/Cornăţel, wo das Ehepaar Sârbu Touristen im Gästehaus „Ivvis“ versorgt.
Simina Manea vom Kreistourismusverband in Hermannstadt ist erfreut über solche Entwicklung. „Wir wissen, dass es in der Region eine Menge motivierter Personen gibt. Das macht Mut. Nun müssen wir kreativ sein in der Erstellung einer spezifischen Produktpalette, um auch etwas für die Einkommen der Kleinbauern zu tun. Wir sind eingebunden und guten Willens, die Region mit ihren Menschen zu stärken. In unseren Entwürfen für neue Broschüren findet das Gebiet daher auch besondere Berücksichtigung“, schildert sie.

Vielfältige Attraktionen im grünen Tal
Dass Massentourismus kein Erfolgskonzept sein kann ist klar, denkt man an die Tierwelt der Region. So ist das Harbach-Hochland auf einer Fläche von 2.500 Quadratkilometer als Natura2000-Schutzgebiet ausgewiesen. Cotaru erklärt dazu: „Es handelt sich um ein System der Europäischen Union zum Schutz biologischer Vielfalt, um die über 60 bedrohten Vogelarten, darunter Schwarzstorch und Schreiadler, in ihrem natürlichen Lebensraum zu erhalten. Was dem Schutzgebiet fehlt, ist die Gewährleistung einer vernünftigen und akzeptanzsteigernden Verwaltung. Bedeutsam ist es auch, die Weidelandschaften so offen zu halten, wie wir sie jetzt vorfinden. Auch hier ist die GAL Microregiunea Hârtibaciu gefordert.“
Es gibt viele endogene Initiativen, die sich darum bemühen, die Kultur- und Naturlandschaft der Mikroregion ebenso zu erhalten wie zu entwickeln. Gedacht sei da nicht nur an die Vernetzung von Brukenthal- und Kirchenburgen-Wanderwegen sondern auch an die Schmalspurbahn. Curcean berichtet: „Es ist bereits gelungen, zwischen dem kommunalen Zweckverband zur Wiederbelebung der Schmalspurbahn und der Liegenschaftsverwaltung der CFR einen Nutzungsvertrag zu bewilligen. Gemeinsam mit dem Mihai Eminescu Trust (MET) hoffen wir, die Mocăniţa als touristische Attraktion in wenigen Jahren zwischen Hermannstadt und Agnetheln in Betrieb nehmen zu können. War das vor einigen Jahren noch als Utopie verworfen worden, so gibt es in der Zwischenzeit mehrere Unterstützer für eine Wiederbelebung der alten Strecke. Die Bahn könnte als Wirbelsäule für die ganze Umgebung fungieren. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Mikroregion Harbach sich insgesamt so vielfältig präsentieren muss, wie sich auch das Leben in ihr gestaltet.“

Karoline Langer
(ADZ, 23.5.2008, Seite 12 – Links ergänzt von KulturLand)