Das Reisen mit dem Zug gehört wirklich zum Erfahren. Mag einer die Strapazen überfüllter Waggons beklagen, jemand anders ewig verdreckte Klos: ich genieße die Veränderung der Landschaft, der Architektur, Sprache und menschlichen Habitus von Station zu Station. Auch die ganz normalen Grenz-Erfahrungen gehören mit dazu. Diesmal war es aber mehr ein Binnen-Erlebnis. In Belgrad stieg ich um in einen Kurswagen, der von Ljubljana über Skopje bis Thessaloniki fuhr. Mit dabei eine Polizei-Patroullie, denn der Zug fährt durch Bujanovac und das Pre¨evo-Tal, jene südserbische Region, in der albanische Nationalisten bis zum vergangenen Sommer eine zweite Ausgabe des Kosovo-Konfliktes zu lancieren versuchten. Nach intensiven Bemühungen konnte das Gebiet vorerst beruhigt werden; eine angemessene Vertretung der albanischen Bevölkerung, ein Fernsehprogramm und anderes waren der angemessene Preis. Dennoch ist weiterhin viel Polizei präsent.
Mich hielten sie nicht für einen schwerbewaffneten Albaner, daß ich offensichtlich kein serbisch sprach, reichte aus. Paß- und Gepäckkontrolle. Kamera und Rechner seien von mir beim Zoll nicht angemeldet worden. Das war im Nachtzug, die haben mich nicht gefragt. Kann nicht sein – großes Problem und immer wieder zeigten sie mir die Hände über Kreuz. In Handschellen wollten sie mich abführen. Ich habe mit meinen serbischen Sprachbröcklein versucht, die beiden Herren Polizisten freundlich zu stimmen. Als sie einfach immer weiter in rasantestem Serbisch auf mich einredeten, habe ich nur noch englisch mit ihnen gesprochen. Und mulmig ist mir auch geworden: eine Zelle in Ni¨ ist sicherlich nicht so angenehm wie ein Hotelzimmer in Skopje. Ich versuchte es auch Geld anzubieten, ohne Erfolg (ich hab’s ihnen aber auch nicht gezeigt). Irgendwann gingen sie mit meinem Paß fort. Als sie wiederkamen, machte ich den beiden entmutigt das Angebot, eine Freundin zum Übersetzen anzurufen. Das war offensichtlich der rechte Schlüssel: wo denn diese Freundin lebe? Ich sagte wahrheitsgemäß Belgrad – und schon hatte ich meine Papiere zurück. Auf der Rückfahrt hatte ich als Trumpf noch die Nummer einer serbischen Diplomatin in der Tasche…
Skopje. Um die Stadt herum deutsche Militärfahrzeuge. Beim Aussteigen springt einer auf mich zu: Mister! Border Kosovo? Für die Taxifahrt ohne eingeschaltetes Taxameter samt ununterbrochenem Redeschwall bezahle ich zehn Euro. Als der Chauffeur mich umarmt und mich als seinen friend verabschiedet, ist mir schon klar, daß ich wieder einmal zuviel hingelegt habe. Umverteilung oder Gaunerei? Egal, dafür bin ich die kommenden Tage Genießer der Gastfreundschaft, die beinahe grenzenlos ist. Kim Mehmeti, Chefredakteur von AIM Mazedonien, genießt offenbar die Anwesenheit der ganzen Bande. Er springt von mazedonisch nach albanisch und serbokroatisch und wieder zurück. Wenn’s sein muß, kommen noch ein wenig Englisch hinzu. Er ist übrigens einer der wenigen Autoren des Landes die sowohl auf mazedonisch als auch albanisch publizieren.
PS: Ein Link an diesem Ort ausnahmsweise: in deutscher Übersetzung findet sich ein wenig von Kim Mehmetis Prosa unter www.buero-roehm.de/mehmeti.htm.
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