Tage der Hysterie um die endlich erfolgreiche Verurteilung eines führenden Politikers Rumäniens. Ex-Premier Năstase wird per endgültigem Urteil für zwei Jahre (also maximal 8 Monate…) ins Gefängnis geschickt. Grund: eine Scheinkonferenz zur Finanzierung seines Präsidentenwahlkampfs 2004. Was dem einst so hochgelobten Manne blüht, ist harmlos – seine Helfer gehen für jeweils 5 bis 6 hinter die Mauern.
Die JournalistInnen drängeln sich in unappetitlicher Manier auf den Stufen vor dem Haus: Belagerung total, wenig Fakten.
UPDATES
- 29.6.2012, 10:03: Der Deliquent ist im Gefängnis, die rumänische Öffentlichkeit beruhigt sich… Hier noch ein Artikel zum Thema auf SPON vom 27.6.: „Ex-Premier Nastase sitzt im Gefängnis„
- 27.6.,12:25: Der Standard zum „fingierten Selbstmord“ und der Haftzuführung am gestrigen Abend: Rumäniens verurteilter Ex-Premier Nastase inhaftiert
- 27.6., 08:05: Năstase wurde am gestrigen späten Abend ins Gefängniskrankenhaus Rahova überführt. („Ex-Ministerpräsident Nastase im Gefängniskrankenhaus„)
- 26.6., 19:57: Die Generalstaatsanwältin Kövesi spricht von Zweifeln an der gestellten Diagnose. Die rumänische Antikorruptionsbehörde nimmt daher Ermittlungen gegen Năstases behandelnden Arzt sowie drei Polizeibeamte auf. Der Vorwurf: Sie hätten die Urteilsvollstreckung des Hohen Kassationsgerichtshofes zu „erschweren und verhindern“ versucht („DNA: Brădişteaniu şi cei trei poliţişti au îngreunat şi au încercat să zădărnicească executarea pedepsei aplicată de Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie fostului prim ministru Adrian Năstase.“).
Infos hierzu beispielwsweise bei- eNational.ro: Kovesi: Exista suspiciuni legate de diagnosticul pus lui Adrian Nastase
- Gandul.info: Oficial: Medicul Şerban Brădişteanu, urmărit penal pentru favorizarea infractorului în cazul Năstase. Şeful Poliţiei Române, Petre Tobă chemat la DNADer Wiener Standard, die FAZ und Radio Free Europe haben die Diskussion ebenfalls aufgegriffen:
- 23.6., 13:45: Die Europaabgeordnete der liberaldemokratischen PDL, Monica Macovei, äußert Zweifel am vorgeblichen Gesundheitszustand Năstases, da die Behandlung durch einen Parteikollegen erfolge (siehe: „Macovei: Am dubii că diagnosticul lui Năstase este corect, întrucât e dat de Brădişteanu„).
- 23.6., 12:06:
- Der Blog CapitalismPePaine (siehe unten) benennt fünf Motive zu seiner Behauptung, der Selbstmordversuch Năstases sei eine Inszenierung. Hier eine Zusammenfassung:
- Es gibt keinen Schuss. Ohne Schuss, kein Selbstmord.
- Adrian Năstase wurde keine ärztliche Behandlung nach dem „Selbstmord“ gewährt.
- Die ärztlichen Aussagen waren widersprüchlich.
- Adrian Năstase wurde nur von in Korruptionsskandale verwickelten Ärzten der Sozialdemokraten betreut.
- Innenminister Ioan Rus wusste von Selbstmord, tat aber nichts um ihn zu stoppen.
- Revista 22 (siehe unten) geht noch weiter ins Detail: Unter anderem sei Năstase Rechtshänder, der angeblich selbstaufgesetzte Schuss sei aber von links eingetreten; diesem habe bisher auch niemand widersprochen.
- Der Blog CapitalismPePaine (siehe unten) benennt fünf Motive zu seiner Behauptung, der Selbstmordversuch Năstases sei eine Inszenierung. Hier eine Zusammenfassung:
20. Juni: Am Abend der Überstellung des Urteils durch Polizeibeamte Riesen-Medienauflauf in der Bukarester str. Zambaccian. In dem Edel-Block der Familie, Bestandteil anderer (eingestellter) Prozesse gegen Năstase, kommt es zu ungeklärten Vorgängen. Năstase wird nach einem vorgeblichen, missglückten Selbstmordversuch mit seinem (zugelassenen) Revolver von der Ambulanz fortgefahren.
Die Medien überhäufen die Öffentlichkeit mit dramatischen Bildern, mit ergreifender Musik. Năstases Parteikollegen geben sich geschockt.
Mittlerweile kommt etwas Ernüchterung durch. Es scheint, niemand hätte einen Schuss gehört. Năstase wird mit der Ambulanz fortgefahren – auf den Bildern keine Verletzungsspuren, der Patient trägt einen Schal, keine Atemmaske (vgl. mit Bild auf derstandard.at). Der ältere Sohn – er taucht mehrmals als Familienmitglied auf – wirkt konzentriert. Die Äußerungen der behandelnden Ärzte (laut Radio Guerilla sämtlich Parteigenossen Năstases) sprechen einmal von ernstem Zustand, dann von leichten Verletzungen. Als es schließlich heißt, der Patient sei in einem sehr guten Zustand, verbietet seine Familie die Veröffentlichung weiterer Statements.
Was ist passiert? Noch ist wohl offen, ob sich Năstase tatsächlich seiner Strafe entziehen wollte. Doch Fragen stehen im Raum. In Rumänien wurden die Medien bereits seit den Dezembertagen 1989 zur gezielten Manipulation über stattgefundene oder inszenierte Ereignisse eingesetzt; Erfahrung gibt es also. Man nehme dazu beispielsweise die entsprechenden Schilderungen von Paolo Rumiz* zur Hand. Jetzt müssen wir aufmerksam sein, die Hysterie durch Besonnenheit ersetzen und versuchen zu erfahren, was am Mittwochabend tatsächlich in der str. Zambaccian geschah.
Weitere Links:
- Ein britischer Expat schreibt dazu auf seinem Blog unter dem Titel „Was Adrian Nastase’s suicide bid another case of plagiarism?„
- Die Revista 22 fragt: „… si-a plagiat Adrian Nastase tentativa de suicid?“ („…hat auch Adrian Nastase beim Selbstmordversuch plagiiert?“, Rumänisch)
- Auf dem Blog CapitalismPePaine werden „5 dovezi că sinuciderea lui Adrian Năstase e făcătură“ („5 Beweise für die Fälschung von Adrian Năstases Selbstmordversuch“, Rumänisch) angeführt.
* Paolo Rumiz: Masken für ein Massaker. Der manipulierte Krieg: Spurensuche auf dem Balkan. Mit einem Vorowrt von Claudio Magris. München, 2000
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