Rumänien po polsku

Drei Wochen sind wir mittlerweile hier und kommen immer noch an. Der Frühling hat sich so langsam durchgerungen, die Dorfhirten sind vergangene Woche neu gewählt worden; das Vieh zieht wie gewohnt des Morgens aus dem Dorf, tagsüber in Sichtkontakt um selbiges herum, bevor gegen sieben Uhr abends ein blökende, grunzende und muhende rush-hour einsetzt.

Nach den regelmäßigen „Bunâ“’s mit lässigem Kopfnicken, wahlweisem Winken haben wir auch neue Menschen in „ganz konkreten Situationen“, wie wir so zu sagen pflegen, getroffen.

Domna Leana zum einen: rundlich und jeden, der in die Stadt fährt, um Tabletten gegen ihren Kopfschmerz bittend. Aber auch stets an einem Geschäft interessiert, vor allem und ihres Alters ungeachtet jedoch an einem Mann. Ich habe dann doch ihren Kuh-Käse genommen, der sich trotz des doppelten sonst üblichen Preises fürs Kochen und Salat eignet. Wenigstens waren wir keine „deutsche Ausnahme“, sondern Domna Leana verkauft alles zum Doppelten im Dorf.

Zum anderen Cristian, den Schurken. Klopft der Nachbarsjunge des nächtens laut ans Tor und macht einen derartigen Wortkrawall – von denen ich nur seinen Namen, „Kirche“, „dringend“ und derlei verstand -, daß ich aufmachte. Dann kamen Worte wie „Großmutter“, „Beerdigung“, „Reise“ und „100.000 Lei“. Ja klar, ein plötzlicher Todesfall und schon morgen früh die Beerdigung, kein Geld im Haus. Kurz vor zwei Uhr kramten wir dann einige Münzen zusammen – das letzte Hemd sozusagen – und er ging mit einem Drittel des gewünschten Betrages fort, uns umarmend und küssend. Ich hätte ja aus Nachbarschaftshilfe ihm alles geben wollen: wenn nicht mein Schwesterherz so skeptisch veranlagt wäre. Ohne Geld wäre er gar nicht gegangen. Nun denn, die Ruhe kehrte nicht ein, denn nach wenigen Minuten stellte er sich mit einem alten Trauerkranz in den Händen vor die Tür: „Johan, komm! Mach auf!“ Daß man auf der Beerdigung der eigenen Großmutter nicht mit solch vertrockneter Gabe erscheinen kann, leuchtete mir sofort ein. Vor Aufregung verwechselte ich jedoch die Tür mit dem Fenster, französisch mit rumänisch und rief auch ganz andere Sachen, als ich vorhatte. Er verstand dennoch, alle Hunde im Dorf bellten, daß es endlich Ruhe geben möge, und nach einem letzten Wasserlassen auf der Gasse überwand der junge Mann das Hoftor seiner Eltern. Still wurde es im Dorf – nur der Mond sinnierte noch ein wenig über das Geschehene bis die Morgendämmerung anbrach. Der folgende Tag brachte uns die Kunde, daß der junge Mann in seinem Leben annähernd soviele Großmütter verloren haben muß wie ein Glatzköpfiger seine Haare.

Andere Begegnungen sind kürzer, häufiger oder sonstwie geartet. Mit der Verkäuferin im Laden verstehe ich mich fast auf Blickkontakt. Nur, daß sie uns das Bier ohne Pfand verkauft und deshalb die Flaschen wirklich zurückbenötigt, dazu war ich zu blöd und brauchte bis gestern, um zu kapieren. Da Männer eigentlich nicht in den Laden gehen, treffe ich dort bisweilen auf die kleine Frauenrunde – zwei selbständige Bäuerinnen. Sie sind des öfteren auf ein Bierchen im Laden. Das wäre nichts Mitteilenswertes, wäre es nicht so, daß die eine stets einen mittelheftigen Lachanfall kriegt, wenn ich nur den Eingang betrete.

Wenn es mich doch mal in die Dorfkneipe verschlägt, sind meine ansatzweise vorhandenen Sprachkenntnisse eher hinderlich; es sei denn, ich hätte vor, gleich ein oder zwei Nächte dort zu bleiben. Mindestens einer verwickelt mich in ein – nennen wir es halt so – Gespräch. Daß jemand in der alten evangelischen Pfarre wohnen würde, glauben nicht alle und so verbeugte sich jüngst ein Mann vor mir, weil er mich für einen orthodoxen Popen hielt. Die Wirtin rettete mich, indem sie auf meinen ziemlich unvorhandenen Bart wies.

— Die Kneipe war einst das Dorfamt; wo vor Jahren die Feuerwehr saß, wird heute Brot verkauft. Wenn es einmal brennt, sind hoffentlich genügend Eimer zur Hand. Wenn die Polizei zu rufen ist, kommt womöglich schon bald ein Auto die Straße entlang, um den trampenden Polizisten zum Einsatzort zu bringen. Oder möglichst nahe heran zumindest. —

Domna Maria und ihren Mann David, zwei Cortorari aus dem Dorf, hatten wir schon öfter von Hermannstadt nach Holzmengen im Wagen. Sie schauen regelmäßig im städtischen Spital nach einem ihrer Kleinen. Ich habe bisher nicht herausgefunden, was für eine Krankheit das Kind hat – konnte mich jedoch mit Frau Maria weitaus besser verständigen als mit den meisten Rumänen. Sie begann „Po polsku?“, ich versuchte es „na srbskom“ und nach kurzer Zeit fanden wir uns in einem Kauderwelsch jenseits aller Regeln soweit zurecht, daß es für den grundlegenden Informationsaustausch reichte.

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