Die alte Leier: Eine neue Filmkollektion über das Harbachtal

Vor einigen Tagen präsentierte Günter Czernetzky die von ihm koordinierte Film-DVD „Oh Jammer im Harbachtal“ im Spiegelsaal des Hermannstädter Forums. Nachdem der Titel bereits die Reproduktion einer ermüdend vertrauten Sichtweise vermuten liess, übertraf das Gesehene leider die Erwartungen. In der ADZ kommentierte Holger Wermke das Ereignis nüchtern. Die Diskussion im Anschluss an die Vorführung blieb leider zu kurz und war von gewissen Verhärtungen der gegensätzlichen Positionen bestimmt. Die Filmschaffenden und ihr Mentor haben allerdings einiges getan, um dies auch so zu lassen.

Jedes einzelne Filmchen könnte Anlass bieten zu spezifischen Diskussionen und wäre für sich genommen – von technischen Schwächen einmal abgesehen – auch nicht sonderlich dramatisch. Doch der Produzent hat es ja mit der DVD auf ein vermeintliches Gesamtbild abgesehen und so ist das Material dann auch zu behandeln.

Drei Eindrücke transportieren die Filme insgesamt, hier durchaus polemisch verkürzt dargestellt:

  1. Zur Zeit der Siebenbürger Sachsen war das Harbachtal eine blühende Landschaft.
  2. Alle heutigen BewohnerInnen trauern den ausgewanderten Sachsen nach.
  3. Alles liegt darnieder im Harbachtal und wenn doch etwas Positives geschieht, so zumindest vermittelt durch sächsische Initiative.

Diese Eindrücke konnten nur entstehen, da sich Produzent und Filmschaffende – bewusst oder unbewusst – auf eine gemeinsame ethnozentrische Perspektive verständigten. Es geht in keinem der Filme um einen Blick des angeblich genutzten cinema verité, sondern um leidvoll wirkende, bisweilen bei den ZuschauerInnen Unmut erregen wollende Sequenzen.

Eine überdies bedauerliche Erkenntnis ist, dass ethnozentrische Perspektiven offensichtlich auch von Personen übernommen werden können, die nicht zu der entsprechenden Bezugsgruppe zählen. Im vorliegenden Falle wurden die Filme nach Vorgabe Hernn Czernetzkys von Studierenden der Hermannstädter Journalistik-Fakultät produziert. Zumindest in einem Falle ist die dennoch gemeinsame Sicht aus „ethnisch-sächsischer“ und „ethnisch-rumänischer“ Sicht begründet: Beiden ethnischen Codes ist die Ablehnung des definitiv Anderen gemein. Einer der anwesenden Studierenden schilderte das plastisch nach Ende der Veranstaltung: „Nicht die Auswanderung der Sachsen ist das Problem, sondern dass die Zigeuner gekommen sind.“ Von der rassistischen Attitüde solcher Äusserungen abgesehen, handelt es sich sowohl soziologisch wie historisch dabei lediglich um eines: um Quatsch.

Darüberhinaus verhielten sich auch die Filmschaffenden und die Akteure ihrer Filme im vertrauten Erwartungsmuster. Die Studierenden, denen tieferes Interesse durchaus zu unterstellen ist, und ihre Dozenten wollten sich wohl kaum die Möglichkeit der Kooperation mit einem Westeuropäer vermiesen lassen. Die Antworten in den Filmen waren sämtlich vorhersehbar. Mehr bekommt niemand zu hören, der sich nicht etwas mehr Zeit nimmt. Wenn aber doch, wird das Bild oft um einiges komplexer. Diese Chance wurde in den Filmen gänzlich ausgelassen.

An der traumatisierten Sicht vieler Ausgewanderter wird sich kaum noch etwas ändern; sie behandelt aber auch kein aktuelles rumänisches Problem. Zu ändern sind die Sichtweisen hier in Rumänien, die Einstellungen zur gesellschaftlichen Gemeinschaft und die Emanzipation von Vorgaben, die an der eigenen Realität vorbeiführen.

Das Harbachtal ist sicherlich nicht das Paradies. Ein Jammertal ist es ebenso wenig. Es ist geprägt von einer Vielzahl ökonomischer, demographischer und soziologischer Probleme einerseits und von beachtlichen lokalen wie regionalen Initiativen andererseits genauso wie von der Suche nach einer zeitgemässen, eigenen Identität. Der Film zu dieser Geschichte steht noch aus. Herr Czernetzky und seine MitstreiterInnen haben ihn nicht geliefert.

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